Dezember 2020
Dezember


Ein Gastartikel in Zusammenarbeit mit GWriters.de.

Wir sind hier ja auf der Seite "vom Schreiben leben" und da darf das Thema "Ghostwriting" nicht fehlen, denn dieser Zweig in unserer Branche ist relativ lukrativ, dabei auch kreativ und definitiv eine Möglichkeit, um seine Miete zu bezahlen. Ich freue mich daher, dir eine unbezahlte Kooperation mit GWriters zu präsentieren, die so nett waren, einen ihrer Autoren für mich zu interviewen. Viel Spaß beim Lesen!

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Der Traum vieler Autoren und Autorinnen ist es, einmal den eigenen Namen auf dem Buchdeckel eines Romans zu lesen. Ein publizierter Roman bedeutet sowohl eine Anerkennung der eigenen Leistung durch Verlage und Lesende als auch den ersten Schritt in Richtung eines Einkommens durch das Schreiben. Doch für eine bestimmte Gruppe von Autoren und Autorinnen ist es gar nicht so wichtig, dass ihre Werke auch mit ihrem Namen verbunden werden: Roman-Ghostwriter schreiben Bücher für andere Menschen. Sie werden gut bezahlt, aber ernten nie oder nur sehr selten den Ruhm für ihre schriftstellerischen Leistungen. Um herauszufinden, wie es ist, im Namen anderer Menschen Romane als Auftragsarbeiten anzunehmen, haben wir uns mit einem Ghostwriter getroffen. Im Folgenden könnt ihr euch darüber informieren, was seine Tätigkeit ausmacht, mit welcher Art von Aufträgen er zu tun hat und auch, warum er seinen Beruf für nichts auf der Welt tauschen würde – auch nicht, um eigene Romane zu schreiben.

Um die Anonymität des Roman-Ghostwriters und seiner Kunden und Kundinnen zu wahren, werden wir in diesem Interview statt seines echten Namens das Pseudonym „Karl Schmidt“ verwenden.

GWriters:

Lieber Herr Schmidt, danke, dass Sie bereit dazu sind, Ihre Geheimnisse mit uns von der Ghostwriting Agentur GWriters zu teilen. Apropos Geheimnisse: Dürfen andere überhaupt wissen, was Sie genau machen?

Karl Schmidt (KL):

Natürlich darf ich damit ehrlich umgehen. Was ich in den meisten Fällen jedoch nicht verraten darf, sind die Namen derer, für die ich Romane schreibe. Ansonsten ist meine Arbeit wie jede andere auch: Ich bekomme Aufträge, habe Deadlines, arbeite mal mehr und mal weniger eng mit meinen Kunden zusammen und kann sogar in meinem Freundeskreis Anekdoten über die Tücken meiner Arbeit erzählen. Solange ich die Details anonym halte, versteht sich.

GWriters:

Bitte stellen Sie Ihre Tätigkeit kurz vor: Wie sehen Ihre Aufträge denn aus, welche Bücher schreiben Sie? Welche Erfahrung haben Sie im Bereich der Belletristik?

KL:

Belletristik ist nur ein Teil meiner Arbeit. Oft handelt es sich bei meinen Aufträgen um Biografien und Erfolgsgeschichten. Dass Menschen ein aufregendes Leben haben heißt noch lange nicht, dass sie auch gut darüber schreiben können. Und gerade bei bekannteren Persönlichkeiten besteht natürlich auch ein öffentliches Interesse an Biografien – die dann manchmal als Autobiografien verkauft werden sollen. Diese Aufträge unterscheiden sich inhaltlich voneinander, je nachdem, über wen ich schreibe, aber laufen meistens sehr ähnlich ab. Bei Lebensgeschichten führe ich viele intensive Gespräche mit der Person, deren Leben erzählt werden soll, kläre den Stil und die Herangehensweise und fange dann meist bereits während des Interviewprozesses zu schreiben an.

Anders sieht es bei den von Ihnen genannten Aufträgen in der Belletristik aus. Da gibt es alles, von fertigen Konzepten, die ich in die Hand gedrückt bekomme und die ich nur noch niederschreiben soll, bis hin zu einem ständigen, täglichen Hin und Her zwischen mir und den Kunden. Bei ungefähr einem Drittel meiner Aufträge handelt es sich um Romane und damit um Fiktion. In dem Bereich würde ich gerne noch viel mehr machen. Um ehrlich zu sein, wenn das Verhältnis umgedreht wäre, also ein Drittel Biografien und zwei Drittel Romane, wäre mir das sehr recht. Aber ob man es glaubt oder nicht, Menschen sind mit ihren Romanideen oft viel wählerischer als mit ihrem eigenen Leben. Manchmal kommen Aufträge nicht zustande, weil ich mit den Menschen, die ihre Romanideen gerne umsetzen würden, nicht auf einen grünen Zweig komme, was stilistische oder inhaltliche Fragen betrifft. Denn obwohl ich gelernt habe, meinen Stil anzupassen und zu verändern, kann ich manchmal einfach nicht aufs Papier bringen, was sich in den Köpfen mancher so fantastisch gestaltet.

GWriters:

Aufträge im Bereich der Belletristik scheitern also oftmals daran, dass es keine Einigung dazu gibt, wie Sie ein Buch schreiben sollen?

KS:

Ich würde sagen manchmal – das habe ich wohl gerade etwas stark hervorgehoben, weil es etwas ist, das mich sehr beschäftigt. Wie viele Möglichkeiten zu schreiben gibt es? Wie sehr kann ich mich stilistisch anpassen, um etwas umzusetzen, das mir vielleicht nicht gefallen wird, aber anderen Menschen schon?

Nein, oftmals scheitern Aufträge im Bereich der Belletristik eher an finanziellen Fragen. Obwohl ich vom Ghostwriting gut bis sehr gut leben kann, muss man sich vor Augen halten, dass ein Buchprojekt meist mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre in Anspruch nimmt. In seltenen Fällen kann ich zwei Projekte nebeneinander bearbeiten, aber eigentlich ist es angenehmer, sich voll in ein einzelnes Projekt zu stürzen. Bei Biographien, gerade bei Biographien prominenter Persönlichkeiten, spielt das Honorar oftmals keine Rolle. Einen Verlag gibt es meist schon, und der übernimmt dann die Kosten, auch für besondere Umstände, wie Reisen zum Beispiel. Und auch, wenn ein Projekt mal länger dauert als geplant.

Bei Romanen jedoch fragen mich meist Menschen an, die einfach die zuvor schon erwähnte gute Idee hatten und jetzt gerne ein Buch schreiben lassen würden. Je nachdem, mit wem wir es da zu tun haben, ist das Budget mal kleiner oder größer. Da muss auch ich gut kalkulieren.

GWriters:

Sie stimmen also jedes Buchprojekt individuell mit Ihren Kunden und Kundinnen ab?

KS:

Auf jeden Fall. Jedes Buchprojekt ist einzigartig, und ich muss bei jedem Projekt schauen, was es mir abverlangen wird – in allen Bereichen, zeitlich, finanziell, persönlich. Als Ghostwriter braucht man ein gutes Gespür für Menschen, und für Kommunikation.

GWriters:

Würden Sie sagen, dass das ein Muss für den Ghostwriter Job ist? Welche Voraussetzungen sollte jemand erfüllen, der Ghostwriter werden möchte?

KS:

Ich sage immer, zum Ghostwriting sind fünf Voraussetzungen wichtig: Schreiben können, Disziplin, Neugierde, Flexibilität und Menschenkenntnis.

GWriters:

Welche Tipps haben Sie an Menschen, die auch Ghostwriter werden wollen?

KS:

Neben den genannten Voraussetzungen halte ich es für wichtig, dass man sich selber nicht zu wichtig nimmt. Sie müssen sich und Ihre Fähigkeiten kennen, aber sollten nicht zu sehr an Ihren eigenen Vorstellungen festhalten. Wie gesagt: Ghostwriting ist ein Beruf, in dem Sie fast immer mit den Ideen anderer Menschen arbeiten, von denen diese so überzeugt sind, dass sie darüber ein Buch schreiben lassen möchten.

GWriters:

Gibt es denn neben der sehr engen Zusammenarbeit mit Ihren Kunden und Kundinnen noch eine andere Möglichkeit, um als Ghostwriter Romane zu schreiben?

KS:

Ja, die gibt es. Es gibt einige Ghostwriting Agenturen, die selber Belletristik herausbringen – in vielen Fällen sind das dann mehrteilige Serien, oft im Bereich Fantasy oder Romantik. Bei denen muss man meist sehr selbstständig arbeiten, vorgegeben ist eigentlich immer nur das Thema. Zumindest bei denen, die ich kenne. Es gibt aber auch solche Ghostwriting Agenturen, bei denen sich Ghostwriter in die Kartei aufnehmen lassen können. Diese Agenturen vermitteln zwischen Kunden und Ghostwritern. Das mag ich eigentlich ganz gerne – ab und an trudelt so eine E-Mail bei mir ein, weil eine Agentur eine Anfrage bekommen hat, auf die ich gut passen würde. Der Vorteil ist hier natürlich, dass eine Agentur bedeutet, dass es vermittelnde Personen zwischen mir und den Kunden und Kundinnen gibt, dass mein Honorar gesichert ist und ich immer Ansprechpartner habe. Das wäre auch noch ein Tipp an zukünftige Ghostwriter: Arbeiten Sie zunächst mit einer seriösen Ghostwriter-Agentur zusammen. So finden Sie heraus, wie der Markt funktioniert, und sind nicht sofort auf sich alleine gestellt.

GWriters:

Stichwort Honorar: Können Sie verraten, wie viel Sie pro Buchauftrag verdienen? Wird das vorab bezahlt, nach Manuskriptabgabe oder sind Sie am Verkauf beteiligt?

KS:

Das kann ich leider nicht so pauschal sagen. Es fließen mehrere Faktoren in die Erstellung meiner Kostenvoranschläge ein: wie viel Zeit ich selber habe, wie viel Recherche ich tätigen muss, wie viel Vorarbeit der Kunde schon geleistet hat, wie viel von dieser Vorarbeit noch mehr Arbeit erfordert [KS lacht], wann die Deadline ist, wie viele Freiheiten ich habe, aber auch, wie groß das Budget des Kunden ist. Wenn ich gefragt werde, sage ich meist: Um die achtzig Euro pro Seite, mit einigem Spielraum nach oben und unten. Wenn Interviews nötig sind, dann etwa gleich viel pro Stunde. Bei Agenturen ist das natürlich anders: Da wird mir ein Honorar vorgegeben, ich muss keinen eigenen Kostenvoranschlag stellen. Achtzig Euro pro Seite erreiche ich bei Agenturen nicht, die Agenturen haben da Ihre eigenen Ghostwriter Preise, dafür übernimmt die Agentur aber alles andere für mich, von der Kommunikation bis zum Lektorat. Das lohnt sich dann schon.

Wegen der längeren Dauer der Projekte lasse ich mir meine Honorare meist in zwei Teilen auszahlen, dass bietet mir auch eine Garantie, dass ich nicht mit leeren Händen stehe, wenn Kunden plötzlich abspringen sollten.

GWriters:

Sie bekommen für die Bücher, die Sie als Ghostwriter schreiben, also keine Tantiemen?

KS:

Nein, das ist nicht drin beim Ghostwriter Job. Anders sieht es aus, wenn man Co-Autor ist, oder eben einfach, wenn man als Ghostwriter mit im Buch genannt ist. Gerade bei Biographien wird nicht immer versteckt, dass eine Person Hilfe dabei hatte, ihr Leben zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. In solchen Fällen wird man am Gewinn des Buches beteiligt – wenn es so im Vertrag steht, zumindest. Als Ghostwriter, der anonym bleibt, erfülle ich in der Tat einfach ein Handwerk und bekomme dafür ein Honorar. Alles was nach Abgabe des Manuskripts, und damit nach Abgabe meiner Rechte daran, passiert, hat mit mir nichts mehr zu tun.

GWriters:

Ist das nicht auch ein komisches Gefühl, mehrere Monate an einem Buch zu arbeiten, und dann weder finanziell daran beteiligt zu sein, noch als Autor für diese Leistung bekannt zu werden?

KS:

Komisch ist es manchmal schon, ja. Aber eigentlich nicht aus den Gründen, die Sie nennen. Für mich ist es zum Beispiel komisch, wenn ich selber noch etwas am Manuskript geändert hätte, aber der Kunde schon zufrieden war. Und ich es dann einfach abgebe, in einem für mich nicht fertigen Zustand.

GWriters:

Schreiben Sie auch unter Ihrem eigenen Namen Bücher oder arbeiten Sie ausschließlich als Ghostwriter?

KS:

Ich bin nur Ghostwriter – sonst nichts. Oder eher: Ich bin Ghostwriter. Denn das ist schon ganz schön viel.

GWriters:

Wie kamen Sie dazu, als Ghostwriter tätig zu werden? Warum schreiben Sie keine eigenen Romane?

KS:

Wissen Sie, ich bin vor zehn Jahren vom Journalismus her zum Ghostwriting gekommen. Als Journalist schreibt man selten über Persönliches. Natürlich ist es einfacher, wenn einen die Themen, über die man berichtet, auch interessieren. Aber im Grunde erzählt man die Geschichten anderer – und kann dafür sorgen, dass man sie gut erzählt. So geht es mir auch mit dem Ghostwriting. Irgendwann wurde mir das journalistische Arbeiten zu hektisch. Kurze Artikel und Reportagen mussten wie vom Fließband kommen und haben erfordert, dass ich ständig mit vielen verschiedenen Leuten in Kontakt war. Längere Reportagen haben mir Freude bereitet, aber waren selten den Aufwand wert. Wir können nicht alle Günter Wallraff sein. Irgendwann war ich ausgebrannt und frustriert. Dann bin ich durch Zufall an meinen ersten Ghostwriting-Auftrag geraten. Ein Kollege hatte mich einem Promi empfohlen, den er interviewt hatte. Und da war sie dann auf einmal: die Ruhe. Ich konnte mich wochenlang auf ein Projekt konzentrieren. Und am Ende war es dann nicht auf Seite drei in einer Tageszeitung, sondern stand im Regal einer Buchhandlung. Das war eine sehr schöne Erfahrung. Journalist war ich danach dann bald nicht mehr.

Also, zurück zur Frage: Nein, das Bedürfnis, eigene Romane zu schreiben, hatte ich nie. Ich mag es, für andere zu berichten. Für andere zu erzählen. Und gerade in der Belletristik ist es sehr befriedigend, anderen Menschen zu ermöglichen, all diese großartigen Welten und Geschichten, die sie sich erträumen, in Worte zu fassen.

GWriters:

Und wie ist es, wenn Sie so ein Buch im Regal einer Buchhandlung sehen, und Ihr Name steht nicht mit drauf? Wenn jemand anderer die Lorbeeren einheimst?

KS:

Nun, die Lorbeeren sind ja immer noch meine, oder? [KS lacht] Nur, dass das außer mir natürlich niemand weiß. Aber jede positive Kritik zu dem Buch ist eine, die mir gilt. Ich muss dafür wirklich nicht im Scheinwerferlicht stehen, um mich darüber zu freuen. Außerdem hat es auch etwas Mysteriöses: Nur ich weiß, welche Bücher ich geschrieben habe. Meine Frau ist inzwischen ganz gut darin geworden, zu erraten, was von mir stammt und was nicht. Aber selbst ihr gegenüber verrate ich selten Definitives. Ich fühle mich dann ein bisschen wie ein Geheimagent, wenn ich ein Buch, bei dem ich Ghostwriter war, mit einem anderen Namen im Regal stehen sehe. Das passt auch ganz gut: Mein liebstes Genre ist der Detektivroman. Leider habe ich noch nie einen Auftrag dafür bekommen.

GWriters:

Vielen Dank für dieses Gespräch! Wir drücken die Daumen, dass bald der Auftrag für einen Detektivroman auf Ihrem Schreibtisch landet.

Zusammengefasst

Als Ghostwriter muss man den Wunsch, seinen eigenen Namen in den Regalen zu sehen, hintanstellen (also ähnlich wie bei einem geschlossenen Pseudonym). Dafür darf man anderen helfen, ihre Ideen zu verwirklichen – und das Schreiben bleibt ja das Schreiben. Es ist eine gute Verdienstmöglichkeit und führt dazu, dass man jeden Tag stundenlang in seine Fantasie abtauchen darf.

Frage an dich: Wäre Ghostwriting etwas, das dich interessiert? Könntest du dir vorstellen, als Ghostwriter*in zu arbeiten?

Danke nochmal an GWriters für den Kontakt zu Herrn Schmidt.

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