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Die Ostergeschichte aus Sicht einer Autorin

Ich bin seit jeher eine gläubige Christin und eine leidenschaftliche Autorin. Dieser Artikel erscheint am Karfreitag. Grund genug, sich die „Ostergeschichte“ mal mit den Augen einer Autorin anzusehen und schreibhandwerkstechnisch auseinanderzunehmen.

Wenn eine Geschichte zweitausend Jahre lang erzählt wird, muss sie gut sein. Sehen wir es uns mal an.

Akt I: Exposition

Jesus kommt nach Jerusalem (Palmsonntag)

Der Beginn der Heiligen Woche ist Palmsonntag. Jesus – selbst Jude – reist nach Jerusalem, um das große jüdische Passah-Fest (Pessach) zu feiern. Er wird als der Erretter vom Volk erwartet. Er soll die römischen Besetzer aus der Stadt jagen und als neuer König Israel regieren. Die Menschen sind hellauf begeistert, dass endlich der ersehnte Retter kommt, den viele Prophezeiungen etc. seit Jahren ankündigen.

Jesus reitet, begleitet von seinen Gefolgsleuten, auf einem Eselfohlen (und nicht einem König entsprechend auf einem stolzen Ross). Die Leute werfen Palmenzweige und ihre Kleidung auf den staubigen Weg, um dem neuen König Ehre zu erweisen.

Handwerk: In der Exposition lernen wir die Hauptfiguren kennen. Dieser Teil der Geschichte betrifft in der Regel die ersten ca. 20 bis 25 % der Gesamtlänge. Wir sehen, wie die Leute auf Jesus reagieren und das charakterisiert ihn. Wir sehen, dass er als Retter aus der Belagerung und als Prophet anerkannt war.

Plot Point 1: Die „Tempelreinigung“

Jesus ist nun in Jerusalem. Er weiß, dass es seine Bestimmung ist, hier den Tod zu finden. Nach seiner Ankunft geht Jesus in den Tempel, um zu beten. Was er dort sieht, macht ihn wütend (ich folge nun einer von vielen möglichen Auslegungen). Geldwechsler boten Opfertiere feil, die die Pilgerinnen und Pilger benötigten, um im Tempel opfern und beten zu können. Jesus stieß die Tische um und warf die Händler hinaus. „Gottes Haus soll ein Haus des Gebets sein, ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht“, begründet er.

Das bekommen natürlich die verantwortlichen Hohepriester mit und werten das als Angriff auf ihre Autorität und auf den Tempel als Profitquelle. Dieser Jesus, der sowieso schon viel zu lange das Volk gegen sie aufwiegelt, soll sterben.

Kurz darauf greift Jesus die Pharisäer und Schriftgelehrten offen an: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr versperrt anderen den Zugang zu Gottes himmlischem Reich. Denn ihr selbst geht nicht hinein, und die hineinwollen, hindert ihr auch noch daran.“

Handwerk: Der Plot Point 1 beinhaltet eine Szene, in der etwas geschieht, das den Übergang zur „Neuen Welt“ zeigt. In diesem Fall markiert der Plot Point die Entscheidung, Jesus zu töten. Damit ist sind sein Schicksal und der weitere Verlauf der Geschichte besiegelt.

Akt II: Jesu letzte Worte

Jesus nutzt die nächsten Tage, um alle Kerngedanken seines Auftrags – den Menschen vom Reich Gottes zu berichten – noch einmal zusammenzufassen und alle wichtigen Fragen zu beantworten.

Es findet die Fußwaschung statt, bei der Jesus die Kernbotschaft „Einer diene dem anderen in Liebe“ symbolisch umsetzt.

Währenddessen beschießen seine Feinde, ihn kreuzigen zu lassen – aber nicht während des Festes, da es das Volk zu sehr aufwiegeln würde, denn sie mögen Jesus.

Handwerk: Im zweiten Akt werden Prüfungen bestanden, der Held lernt, sich zurechtzufinden. Jesus tut, wozu er berufen war. Alle Konflikte verdichten sich und bereiten den Twist in der Mitte vor.

Midpoint: Der Verrat

Die Feinde von Jesus Christus finden einen seiner engsten Freunde, der stark an dem zweifelt, was Jesus tut und sagt. Für 30 Silberlinge lässt er sich dazu hinreißen, Jesus an die Soldaten zu verraten und verhaften zu lassen.

Es findet das letzte Abendmahl statt. Jesus sagt zu Judas, dass er ihn bald verraten solle.

Handwerk: Der Midpoint, wenn vorhanden, stellt oft einen Richtungswechsel der Geschichte dar. Spione werden enttarnt oder ein erreichtes Ziel kristallisiert sich als falsch heraus. Wir haben es hier mit einem klassischen Überläufer zu tun (Trickster/Gestaltwandler).

Akt III: Im Garten Gethsemane / Kreuzigung

Nach dem letzten gemeinsamen Essen geht Jesus mit seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern nach draußen. Mit zwei seiner engsten Verbündeten zieht er sich in einen prächtigen Garten zurück, wo er lange betet. Er hat Angst. Er bittet Gott, dass ihm das bevorstehende Schicksal erspart bleiben möge. Seine Freunde schlafen ein, während er in Todesangst ist. Sicherlich ist er von den Menschen enttäuscht (meine Interpretation).

Dann kommen die Soldaten und Judas verrät durch einen Kuss auf seine Wange, welche der Personen Jesus Christus ist.

Er wird festgenommen und zum Statthalter von Rom gebracht. Dieser findet keine Schuld, wegen der er Jesus zum Tode verurteilen solle. Er gibt die Entscheidung an das Volk ab und fragt: „Wer soll freigelassen werden? Dieser Jesus, der sagt, er sei der König der Juden, oder Barabbas, ein Räuber?“

Das anwesende Volk stimmte dafür, Barabbas freizulassen und Jesus kreuzigen zu lassen.

Akt III bereitet das Finale vor. Der Held wird aktiv und reagiert auf die neuen Umstände, die sich aus dem Midpoint ergeben haben.

Tiefpunkt: Kreuzigung

Jesus wird bespuckt, mit Geißeln gefoltert, trägt sein eigenes Kreuz (später kommt ihm einer zur Hilfe, weil er selbst zu schwach ist, um es weiter zu tragen) und schließlich wird er mit Nägeln durch Hände und Füße auf das Kreuz genagelt.

Die Vorbeilaufenden verspotten ihn und lachen ihn aus. Seine Freunde sind, bis auf Johannes, nicht da. Seine Mutter Maria steht ihm seelisch bei.

Dann stirbt Jesus und nimmt damit als sündloser Gottmensch alle Sünden der Menschen auf sich. Durch seinen Tod wird der Weg zu Gott frei.

Handwerk: Der Tiefpunkt ist oftmals die Szene, in der der Held bildlich gesprochen völlig am Boden ist. Er ist von seinem Ziel weit entfernt und hat in der Regel eine wichtige Erkenntnis, ohne die er das Finale nicht bestehen kann. Jesus muss sterben, damit er auferstehen kann.

Finale: Auferstehung (Ostern)

Diese Geschichte endet nicht mit dem Tod, sondern mit der Wiedergeburt. Jesu Leichnam wird diebstahlsicher in eine Höhle gebracht. Drei Tage nach seinem Tod wollen drei Frauen ihn salben, aber das Grab ist leer. Jesus erscheint ihnen als auferstandener Gottessohn. Er ist kein Mensch mehr, sondern hat einen „Auferstehungsleib“, mit dem er z.B. durch Wände gehen kann.

Handwerk: Die Wiedergeburt ist ein häufiges Element in Geschichten, die meistens metaphorisch gemeint ist: Der Held muss sein altes Ich ablegen und eine neue Erkenntnis zulassen, über sich hinauswachsen oder tatsächlich etwas in sich sterben lassen, damit etwas Neues wachsen kann.

Akt IV: Verabschiedung

Die „Heilige Woche“ endet mit Ostern. Es folgen im weiteren Verlauf Himmelfahrt und Pfingsten. Der Abschluss dieser Ostergeschichte zeigt Jesus, der sich vielen Jüngerinnen und Jüngern zu erkennen gibt und zeigt: Ja, ich habe den Tod besiegt.


Ich hoffe, diese kleine Zusammenfassung konnte dir zeigen, dass die Erzählstruktur einer Geschichte durchaus wichtig ist. Man hätte die Geschichte auch anders erzählen können – die Quellen sprechen auch unterschiedlich von den einzelnen Begebenheiten. Die verschiedenen Informationen aber in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht – selbst wenn sie nicht 100 % akkurat sind – sorgen dafür, dass die Geschichte wieder und wieder erzählt wird.

Ich wünsche euch einen ruhigen Karfreitag und am Sonntag frohe Ostern!

Annika Bühnemann hat eine Mission: kreative Frauen wie dich dabei zu unterstützen, endlich ihr eigenes Buch zu schreiben. Mehr noch: Sie hilft dir, durch Journaling zu der Person zu werden, die erreicht hat, was du dir wünschst. Annika ist multipassioniert, enthusiastisch und hochmotiviert, mit denjenigen zu arbeiten, die sich von ihr anstecken lassen. Auf dass du mit dem Kopf in den Wolken hängst und fest mit der Erde verwurzelt bleibst!

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