Die Trends im Self Publishing
Nicht ganz eine Woche nach der Frankfurter Buchmesse möchte ich ein Resumée ziehen und aufzeigen, welche Trends sich im Self Publishing abbilden und welche Konsequenzen damit einhergehen.
Professionalität
Wenn ich ein Schlagwort nennen müsste, das in diesem Jahr mit dem Self Publising in Verbindung gebracht wurde, dann ist es Professionalität. Man kann schon länger nicht mehr mit einem Blick sagen, ob vor einem ein Verlagsbuch oder ein SP-Buch liegt, so gut sind die Cover geworden, so professionell der Satz. Self Publisher sind mittlerweile in der Regel „richtige Unternehmer“ und mit Kleinverlagen vergleichbar. Es macht sich nur der Unterschied innerhalb der Gruppe bemerkbar: Wer neu im Self Publishing ist, geht naturgemäß etwas unbedarft an die Geschichte, hat oft nicht so professionelle Cover und stellt sich mit seiner Werbung auch nicht so breit auf wie die „Profis“. Aber man lernt ja mit jedem Buch dazu.
Geöffnete Schere bei Buchverkäufen
Ich habe auf der Messe mit vielen Autorinnen und Autoren gesprochen und nur zwei Mal bekam ich zu hören, dass man mit den Verkaufszahlen zufrieden sei. Das Sommerloch ist zu Ende, es müsste wieder bergauf gehen. Das Fazit aus vielen Gesprächen war, dass Werbemaßnahmen nicht mehr den Effekt hätten wie früher, man müsse sich entweder etwas Neues ausdenken oder weiter daran arbeiten, eine Fanbase aufzubauen. Es gibt einige Wenige, die gut verdienen, und viele, die kaum etwas verdienen. Aber das ist in der Buchbranche ja nicht viel anders als in anderen Branchen: 20 % der Autoren machen 80 % der Umsätze (ist nicht statistisch erwiesen, aber es entspräche der 80/20-Formel).
Zwei Wege, um vom Schreiben zu leben
Auch diese Erkenntnis hat sich durch meine Gespräche auf der Messe verfestigt: Es gibt zwei Möglichkeiten, um vom Schreiben zu leben, und beide sind nicht ganz einfach:
Entweder man geht übers Self Publishing und veröffentlicht mindestens drei, besser vier Romane im Jahr. Es ist nicht erheblich, wie viele Seiten die Bücher haben, obwohl bei einer Abrechnung bei KDP Select mehr Seiten vorteilhafter sind – aber die lassen sich natürlich auch nicht so leicht schreiben wie weniger Seiten 😉 Wer als Self Publisher vom Schreiben leben will, muss sich mit dem Gedanken anfreunden, sechs bis acht Stunden mindestens jeden Tag an Büchern zu schreiben, und dann zusätzlich Social Media-Marketing zu machen.
Der zweite Weg ist der über einen Verlag, beziehungsweise eine Agentur. Es gab nicht eine/n Autor/in, der/die nicht empfohlen hätte, über eine Agentur an einen Verlag heranzutreten. Ich persönlich halte den Weg über einen Verlag für schwieriger, da man davon abhängig ist, ob der Verlag einen pusht oder nicht. Falls man aber das Glück hat, im Fokus eines Großverlags zu stehen, und zusätzlich die eigene Fanbase aufbaut, ist es auch möglich, als Verlagsautor vom Schreiben zu leben.
Mehr Hybriden
Bei dem Wort „Hybrid“ denke ich irgendwie immer an Aliens oder Maschinenmenschen, aber es hat sich dieser Begriff nun mal für Autoren durchgesetzt, die sowohl im Self Publishing als auch über Verlag veröffentlichen. Meine subjektive Empfindung sagt, dass die Zahl dieser Hybriden mehr wird – vielleicht, weil im Self Publishing absehbar ist, dass ein bis zwei Romane im Jahr wirklich nicht ausreichen, um Einnahmen zu generieren (außer, man hat einen Bestseller) und man sich so den Aufwind aus dem Verlagsmarketing erhofft. Ich werde weiter beobachten, ob sich dieser Weg lohnt, der im übrigen für mich persönlich der interessanteste ist.
SP wird langsam ernstgenommen
Die Spannungen zwischen den SP-Autoren und Verlagen nehmen meiner Meinung nach ab. Das hat einerseits sicherlich damit zu tun, dass viele Verlage jetzt selbst auf den Zug aufspringen und Plattformen anbieten (jüngst gesehen bei der Randomhouse-Gruppe mit „twentysix“). Und diese Verlage werden sich hüten, sich negativ zum Self Publishing zu äußern. Dennoch habe ich auch unter den Journalisten etwas mehr ernsthaftes Interesse festgestellt, wenngleich es natürlich noch immer sehr viele Menschen gibt, die Self Publishing mit schlechter Qualität gleichsetzen.
Leider haben sie dabei nicht immer unrecht. Aber die Tendenz ist zum Glück gegenläufig.
Fazit
Es ist bereits bei den meisten Self Publishern angekommen, dass ihr Buch möglichst professionell gemacht sein sollte. Die meisten Cover der sich gut verkaufenden Bücher sind von Verlagstiteln kaum zu unterscheiden. Die Nähe zwischen Verlagsautoren und ihren Lesern ist teilweise noch immer sehr gering ausgeprägt, wohingegen die meisten SP-Autoren einen engen Kontakt zu ihren Lesern pflegen. Dennoch liegt das Augenmerk im Self Publishing noch immer auf Quantität: Es reicht nicht, ein gutes Buch im Jahr zu veröffentlichen, drei sind das Minimum. Das wiederum bedeutet harte Arbeit, wenn man damit erfolgreich sein will.
Was ist dein Fazit?
Warst du auf der Messe? Was für Eindrücke hast du mitgenommen und was kannst du in diesem Artikel bestätigen? Gibt es auch gegenteilige Erfahrungen? Lasst es uns gerne mal unten in den Kommentaren diskutieren.
Evy
Ich war nicht auf der Messe, aber ich stelle mir häufig eine Frage, die in Richtung „Professionallität“ geht: Was ist mit Gemeinschaft? Dem gemeinsamen Nutzen von Fähigkeiten, von Synergie-Effekten?
Ja, SP werden immer mehr zu Kleinunternehmern – und ich habe das Gefühl, dass sie gezwungen sind, Multitalente zu sein, die schreiben und Marketing betreiben können. Können manche aber nicht. Wäre es nicht einfacher, sich in Gruppen zusammen zu tun und zu sagen: Ich kümmere mich um das Lektorat, ich ums Marketing und ich schreibe Bücher?
In diesem Zusammenhang würden mich deine Tipps interessieren – welche (effektiven?) Marketing-Maßnahmen kann ein Autor ergreifen, wenn er nicht soviel Zeit und Emotion (für mich wäre es z.B. anstrengend, mit vielen „fremden“ Lesern zu kommunzieren) investieren will?
Und wie gehst du mit Fan-Nähe um – fühlst du dich ihnen nah oder sind sie für dich abstrakte kleine Männchen, die dein Buch kaufen?
Wie gehst du mit dem Leistungsdruck um?
Annika Bühnemann
Hallo liebe Evy!
Ich weiß, dass es auf jeden Fall bereits Autorengruppen gibt, die sich gegenseitig unterstützen und beispielsweise Werbung füreinander machen. Das Autorensofa zähle ich auch mal dazu. Hier wird versucht, mit den angesprochenen Synergie-Effekten etwas zu bewirken, allerdings schreiben hier auch alle, die sich helfen. Wie könnte eine Gruppe funktionieren, in der einer lektoriert, der nächste Buchcover macht, ein Dritter den Text setzt und der vierte Marketing betreibt? Es geht ja auch um Geld: Würde man das erwirtschaftete Geld durch Vier oder Fünf teilen? Oder müsste der Schreiberling alle anderen im Voraus bezahlen? (Schon jetzt ist es ja so, dass die Autoren häufig Cover, Buchsatz und Lektorat/Korr. auslagern).
Aber interessanter Gedanke, ich kann mir gut vorstellen, dass in diese Richtung etwas passieren wird.
Pauschal aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Self Publisher, die keinen Spaß am Umgang mit Menschen haben, fällt das Marketing sicher schwer und eventuell sind solche Menschen sogar bei Verlagen besser aufgehoben, wo sie mehr oder weniger „in Ruhe schreiben können“ und ein Dritter die Vermarktung übernimmt. Es gibt allerdings auch Leute wie beispielsweise Britt Toth, die Social-Media-Aktivitäten für Autoren übernimmt. Wenn es einen effektiven Schritt gäbe, der kaum Zeit oder Geld kostet, würde ich ihn gerne verraten, aber ich kenne ihn nicht. Für mich sind Authentizität, Zeit, Ausdauer und Spaß die Grundlagen.
Fan-Nähe: Klar, die Leser, die ich mal persönlich kennengelernt habe, bleiben mir oft länger im Gedächtnis. Wobei du mir als steter Kommentatorin und Feedback-Geberin ebenfalls sehr im Kopf bist 🙂 Ich habe ja nur mit einem kleinen Bruchteil der Leute Kontakt, die meine Bücher kaufen, den Blog lesen oder die Videos gucken, aber sie bekommen erst ein Gesicht, wenn ich mehrfach mit ihnen interagiere, oder wenn ich mich mit ihnen treffe. Nahe fühle ich mich natürlich denen, mit denen ich viel Kontakt habe, insbesondere wenn ich merke, dass wir auf einer Wellenlänge sind.
Leistungsdruck: Seit ich nur noch die Dinge tu, die mir Spaß bereiten, hat sich der Druck ziemlich gelegt. Im Grunde macht mir ja niemand Druck außer ich selbst. Ich weiß aber, dass ich zB keine drei oder vier Romane im Jahr schreiben will, weil mir das einfach zu viel ist – also mache ich es nicht. Mit der Konsequenz, dass ich nicht vom Self Publishing leben können werde, außer ich habe ungewöhnliche Bestseller 😉 Oder welche Art Leistungsdruck meinst du?
Viele liebe Grüße 🙂
Annika
Evy
Ja, ich meinte den Druck mit den drei, vier Romanen im Jahr 🙂
Ansonsten: Danke für die Antworten. Ich werde auch mal drüber nachdenken 😛
Sabrina
Hallo Annika,
ich war nur kurz auf der Messe, bin selbst Self-Publisher und auf der Self-Publishing-Plattform eines Verlages vertreten, den ich aus Diskretion nicht namentlich nennen werde. Obwohl dieser Verlag selbst eine Self-Publishing-Plattform hat und sich daher online nur positiv zu dem Thema äußert, waren die Stand-Mitarbeiter anscheinend nicht gut gebrieft. Wenn man sie darauf angesprochen hat, haben sie abfällig und abwinkend und ziemlich ahnungslos reagiert. Ich hätte mir gewünscht, auch als Mitglied der Self-Publishing-Plattform ernst genommen und mit Respekt behandelt zu werden. Das Standpersonal sollte hier vielleicht noch besser eingewiesen werden.
Annika Bühnemann
Hallo Sabrina,
das sind natürlich nicht so schöne Erfahrungen. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich mir das richtig gut vorstellen kann. Ich gebe sogar zu, dass ich selbst gerne zu Verlagsbüchern greife, wenn ich die Wahl habe, obwohl ich weiß, dass es unter den SP-Autoren fantastische Kollegen/Kolleginnen gibt, die locker mit Verlagsautoren mithalten können. Falls sich dieses Denken mal ändert, wird es noch einige Jahre dauern, schätze ich. Das Beste ist aber wohl, auch einer Ablehnnung souverän zu begegnen (siehe Mindfuck-Artikel).
Liebe Grüße,
Annika
Betty Kay
Hallo Annika!
Vielen Dank für den tollen Artikel. Ich habe wieder sehr viel Interessantes gelernt. Aber ich bin total geschockt. Drei bis vier Bücher pro Jahr? Das ist doch unmöglich dauerhaft machbar. Weißt du, wie viele Autoren diese Zahl schaffen?
Liebe Grüße
Betty
Annika Bühnemann
Huhu Betty,
ach, da gibt es einige, die das schaffen: Sarah Saxx plant das für 2016, Miranda J. Fox, Poppy J. Anderson, D.C. Odesza, BC Schiller oder AJ Blue machen das ebenso vor … sehr viele der bekannten und erfolgreichen SP-Autorinnen/Autoren verfahren so. Wie viele das insgesamt schaffen, weiß ich aber nicht 😀 Ich glaube, ich will das auch gar nicht so genau wissen, sonst mache ich mich nur verrückt 😉
Liebe Grüße
Annika
Anke Müller
Hallo Annika,
lieben Dank für Deinen Artikel. Ich war leider nur am Sonntag auf der Messe, durfte dann aber der sehr interessanten Fragerunde an SP-Autoren lauschen. Daraus habe ich zwei Sachen mitgenommen: 1. Fanbase ausbauen/Präsenter sein und 2. schreiben, schreiben, schreiben und nochmals schreiben. Also genau das Fazit, zu dem Du auch gekommen bist. Mit dem Ausbauen der Fanbase habe ich noch so meine Probleme, da ich lieber an meinen Romanen schreibe, als in Sozialen Netzwerken aktiv zu sein. 🙂
Ich hoffe sehr darauf, dass sich meine Theorie bestätigt und die Zahl der Leser exponentiell mit der Zahl der Veröffentlichungen steigt.
Liebe Grüße
Anke